Spesenschinderei auf Kosten Behinderter 

 

Schwere Fehlleistungen in ausserordentlichen, zweifellos nicht einfach zu bewältigenden Fällen haben die KESB ins Zwielicht gerückt. Befasst man sich mit kaum Schlagzeilen auslösenden Routinefällen, stösst man allerdings auch auf nicht tolerierbare Auswüchse der KESB-Bürokratie. 

 

In der Ostschweiz ist die «Schweizerzeit» mit einer gut fünfzigjährigen Frau in Kontakt gekommen. Sie betreut eine behinderte Tochter – seit über dreissig Jahren. Der Mutter wurde zur Pflicht, ihrer Tochter – vor allem seit diese volljährig ist – so viel Eigenständigkeit zu sichern, wie diese als Behinderte zu bewältigen vermag. Es fand sich, gegen angemessenen, angesichts der Lebenskosten aber bescheidenen Lohn auch eine Arbeitsstelle für die junge Behinderte.

 

Von der Gemeinde zur KESB 

Als die Tochter seinerzeit ihren 18. Geburtstag erreichte, wurde der Mutter auf ihr Ersuchen hin von der Wohngemeinde die Vormundschaft über ihre Tochter übertragen. 

Seit 2013 ist indessen nicht mehr die Wohngemeinde, vielmehr die KESB für Vormundschaften zuständig. Seither ist Problemlösung für die Mutter kompliziert. Zum Beispiel aufgrund zweier nacheinander eingetretener Todesfälle. 

 

Zunächst starb die Grossmutter der Behinderten, ein eher geringes Vermögen hinterlassend. Deren Sohn – der Ex-Mann der mit der Vormundschaft betrauten Mutter – war selbstverständlich erbberechtigt. Dieser befand sich allerdings im Stadium einer sich rasch verstärkenden Demenz. Das Notariat, bei dem das Testament der Grossmutter aufbewahrt war, nahm die Erbteilung nach professionellem Massstab vor. Bevor diese vollzogen werden konnte, starb allerdings auch der Vater der Behinderten, sodass diese an beiden Nachlässen – dem der Grossmutter und dem des Vaters – erbberechtigt wurde. 

 

Der vom Notariat erarbeitete Teilungsvorschlag zum Nachlass der Grossmutter fand eigentlich die Zustimmung aller Erben. Mit der Begründung, die Interessen der behinderten Enkelin zu vertreten, schaltete sich dann aber die KESB ein. Dem Notariat gegenüber liess die KESB-Zustimmung monatelang auf sich warten. 

 

Die erste Spesenrechnung 

Als nach der Grossmutter auch der Vater der Behinderten starb, lud die KESB die mit der Vormundschaft über ihre Tochter betraute Mutter zur Lagebeurteilung. Darin kam alles zur Sprache: Die Erbschaften, die Beurteilung zukünftiger Möglichkeiten der behinderten Tochter, ihre Wohnverhältnisse, ihr Arbeitsplatz, der Umgang der Mutter mit der der Tochter in begrenztem Ausmass eingeräumten Selbständigkeit. 

 

Endlich erklärte sich die KESB mit der Verteilung des grossmütterlichen Erbes einverstanden – verlangte für ihre in dieser Sache erbrachten Bemühungen aber eine Spesenentschädigung von fünfhundert Franken. Die Mutter der Behinderten war schockiert: Ihr ist in den 31 Jahren, seit sie für ihre Tochter sorgt, nie in den Sinn gekommen, für irgend eine erbrachte Leistung eine Spesenentschädigung zu verlangen. 

Aber sie wurde amtlich belehrt: Das geltende Recht gestatte der KESB, für ihre Abklärungs-Leistungen eine Gebühr zwischen Fr. 200.– und Fr. 4 000.– in Rechnung zu stellen. Die Forderung von Fr. 500.– sei also angemessen. Sie brachte die erbberechtigte, behinderte Tochter freilich um einen Sechstel der ihr zustehenden Erbschaft! 

 

Die öffentliche Hand, begründete die KESB, sei schliesslich auch auf Einnahmen angewiesen. Ein Verzicht komme nicht infrage. 

 

Spesen stehen im Mittelpunkt 

Auch zum Nachlass des nach mehrjähriger Demenz verstorbenen Vaters der Behinderten stellte die KESB aufwändige Abklärungen an. Sie sind noch nicht abgeschlossen – die Erbteilung lässt entsprechend auf sich – bzw. auf die KESB – warten. Die  Mutter hat sich  damit abzufinden: Was sich früher im direkten Gespräch zwischen Gemeindebehörde und Mutter unbürokratisch regeln liess, wird jetzt im Rahmen komplizierter, Zeit und Arbeit kostender Verfahren abgewickelt. 

 

Die KESB stellte aufwändige Nachforschungen an zur Hinterlassenschaft des verstorbenen Vaters. Gleichzeitig wurde die Mutter per detailreichem Formular informiert, dass sie der Tochter fortan eigentlich jährlich eine Entschädigung von Fr. 1500 für ihren Vormundschafts-Aufwand zu belasten hätte. 

 

Solches ist dieser Mutter bis zur Zustellung des KESB-Formulars überhaupt noch nie in den Sinn gekommen. Sie erbrachte ihre Anstrengungen zugunsten ihrer leiblichen Tochter als Mutter. Als Mutter, die ihrer behinderten Tochter das Leben wo immer möglich zu erleichtern versucht. 

 

Eine Haltung, die KESB-Funktionären fremd zu sein scheint. Dass die Mutter ihre Tochter oft bei sich die täglichen Mahlzeiten einnehmen lässt, ohne sie dafür finanziell zu belasten, ist aus KESB-Sicht falsch. 

 

Ferien verunmöglichen? 

Würde die Mutter für ihren Aufwand Entgelt nach KESB-Norm verlangen, würden die Einkünfte der Tochter, vor allem alle Ergänzungsleistungen weitgehend aufgebraucht. 

 

Diese Leistungen sind gedacht für persönliche Auslagen: Coiffeur, Kleidung, Freizeit und Ferien. Der Tochter konnten daraus – wenn auch in bescheidenem Ausmass – mehrmals Ferien ermöglicht werden, was für sie ausserordentliche Bedeutung hatte. 

 

Dass dies verunmöglicht würde, wenn für familiär geleistete Unterstützung Spesen nach KESB-Norm beansprucht würden, scheint KESB-Funktionäre nicht zu kümmern. Für Funktionäre zählt nicht Menschlichkeit, für sie zählt Paragraphen-Logik. 

Bürokratie frisst Menschlichkeit auf, wo die KESB das Zepter übernimmt. us 

 

 

Quelle: Die in diesem Artikel erwähnten Personen sind der «Schweizerzeit»-Redaktion namentlich bekannt.