KESP erzwingt Beistand, Walter B. stirbt kurz darauf...

 

Einmal mehr die KESB

von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

Der demenzkranke Walter B. wird aus heiterem Himmel verbeiständet. Seine mit ihm seit 43 Jahren verheiratete Ehefrau wird davon auf amtlichem Papier informiert. Fortan hat sie nichts mehr zu sagen. Bis zum Tod von Walter B.

Walter B.* lebt auf Grund seiner fortschreitenden Demenzerkrankung seit 2016 im Alterszentrum. Als die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB per Mail aus dem Ausland eine Gefährdungsmeldung erhält, taucht sie relativ unvermittelt im Alterszentrum auf und «befragt» die anwesende Ehefrau Isabelle B. Diese, so wird die KESB später schreiben, habe der Verbeiständung zugestimmt. Isabelle bestreitet dies. Sie sei vom Erscheinen der KESB überrascht gewesen, die Personen seien fordernd aufgetreten. Und sie habe nicht recht verstanden, was diese von ihr wollten.

Nichts mehr zu sagen nach 43 Jahren

Jedenfalls erreicht die überraschte Ehefrau Mitte September der Entscheid der KESB: Ihr Mann wird verbeiständet; für sämtliche Lebensbereiche ist ein Sozialarbeiter zuständig. Das leibliche Wohl, die Finanzen, der Rechtsverkehr – die Ehefrau hat dazu nichts mehr zu sagen.

Der Entscheid kostet 1 200 Franken und wird ihr nur auszugsweise zugestellt. Eine Begründung und eine Rechtsmittelmöglichkeit fehlen. Der Entscheid sei sofort vollstreckbar. Dem schnell aufgebotenen Anwalt (der Verfasser dieses Berichts) wird in unzulässiger Weise zunächst die Akteneinsicht verweigert.

Die Ehefrau erhebt Beschwerde gegen den Entscheid, welchen sie nur durch einen glücklichen Zufall in die Hände bekommen hat. Sie kämpft darum, weiter für ihren Mann sorgen zu dürfen und lässt den Beistand nicht ins Haus.

In der Beschwerde wird geltend gemacht, der demente Walter B. werde im Alterszentrum bestens umsorgt. Die finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten würde wie seit langem die Ehefrau besorgen. Es bestünden keine Hinweise, dass die Angelegenheiten von Walter B. nicht oder mangelhaft erledigt worden seien. Sämtliche administrativen Angelegenheiten seien bisher problemlos erledigt worden. 

Für jeden alten Menschen ein Beistand?

Die Beschwerde ist ein Teilerfolg. Ein dementer Mensch könne zwar nicht einfach so von seiner Familie vertreten werden. Hier bedürfe es eines Beistandes. Es müsse aber geprüft werden, ob dies nicht auch die Ehefrau erledigen könne. 

Einige Wochen später muss die Ehefrau deshalb bei der KESB antraben. Ein Behördenmitglied drückt der eingeschüchterten Isabelle B. einen dicken Ordner in die Hand. «Dies sind die Aufgaben, welche Sie als Beiständin für Ihren Mann zu erledigen hätten», sagt die Frau prüfend, «lesen Sie ihn kurz durch, damit wir das nachher besprechen können.»

Die verdatterte Isabelle B. hat ihre Lesebrille nicht dabei. In den fünf Minuten, die ihr eingeräumt werden, könnte sie auch mit Brille niemals den ganzen Ordner durchlesen.

Ich bin dafür da, meinem Mann zu helfen

Das Verhör beginnt: «Vor diesem Gespräch hatten Sie die Möglichkeit, den Ordner betreffend ‘Private Mandatsträger’ zu studieren. Welche Fragen stellen sich Ihnen daraus?».

Allen ist klar, dass Isabelle B. zwar für ihren Mann schauen kann, aber nicht in der bürokratischen Art, wie das die KESB will. Nach längerem Hin und Her willigt die KESB-Mitarbeiterin ein, dass Frau B. in Zukunft wieder das leibliche Wohl ihres Mannes besorgen kann. Alles andere aber soll der Beistand erledigen.

Mehr ist angesichts der hoch geschraubten Anforderungen der KESB nicht zu schaffen. Isabelle B. verlässt das Büro tränenüberströmt: «Aber ich will doch einfach für meinen Mann da sein. Seit 43 Jahren mache ich das, wieso darf ich das nicht mehr weitermachen?»

Weshalb braucht jeder Mensch, der nicht mehr urteilsfähig ist, einen Beistand, selbst wenn die Angehörigen zu ihm schauen können? Weshalb werden an private Beistände so hohe Anforderungen gestellt? Warum darf eine Ehefrau ihren Ehemann nicht selber betreuen?

Die Fragen bleiben offen. Weinend wird Isabelle B. nach Hause gefahren. Sechs Tage später stirbt Walter B. Damit ist die Angelegenheit erledigt. Nicht aber für die Angehörigen.

Hermann Lei